The Time is Right
Inhalt
- Lizenz und Downloads
- Aufzeichnung
- Abstrakt
- Zur Entstehung von „The Time is Right“
- Figuren
- Das Ende
- Der Besuch
- Die Reise
- Die Bedrängnis
- Die Ankunft
- Die Erkenntnis
- Das Gespräch
- Der Deal
- Die Zustimmung
- Die Leere
- Das Finale
- Die Verabschiedung
Lizenz und Downloads
„The Time is Right“ vom collectivdrama c-atre ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Der Text steht auch in folgenden Formaten zum Download bereit:
Außerdem stehen auch die Logos für UDF und OpenDataBay unter der obigen Lizenz.
Aufzeichnung
Uraufführung in der c-base
33C3
There is also an English version available that was translated simultaneously during the performance.
Abstrakt
Ende. Wie so viele andere Bühnen zuvor muss auch dieses Theater endgültig schließen. Durch ein rigides, staatlich durchreguliertes Lizenz-Korsett ist es im Jahr 2112 unmöglich geworden außerhalb der von den Verwertungsgesellschaften festgelegten Vorstellungen von Kunst und abseits des streng von ihnen kontrollierten Texte-Kanons innovatives Theater zu machen. Als die Intendantin Chrissi und die Schauspielerin Maxi durch die brutale Schließung ihres Theaters einer finanziellen und emotionalen Katastrophe gegenüberstehen, fassen sie den folgenreich Entschluss, den Fundus des Theaters zu veräußern, um wenigstens den gröbsten Geldnöten zu entfliehen. Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Plötzlich befindet sich Maxi in einer anderen Zeit.
Im Jahr 2042 trifft Maxi auf die Commonisten Mo und Jo, die mit aktivistischem Eifer und jenseits der Legalität gegen eine zunehmend restriktive Urheberrechtsgesetzgebung und für die Freiheit des Werkes kämpfen und auf die unabhängige Schriftstellerin Dr. Cora Winter, die Muse dieses Widerstands.
Während Mo und Jo ihre Aktivitäten ganz der Bewegung und „Open Data Bay“, dem letzen Hort der freien Texte, widmen, wird Cora Winter immer stärker von Dani DiLorenzo unter Druck gesetzt. Die nahezu uneingeschränkt herrschende Patronin der ultimativen Verwertungsgesellschaft Universal Disney Fox versucht die talentierte Schriftstellerin mit zahllosen verführerischen Angeboten zu einer gemeinsamen, Gewinn versprechenden Zusammenarbeit zu bringen.
Auch die gewagten Aktionen der Commonisten bleiben nicht länger verborgen. Und so machen sich Dr. Sascha Bacon Schmidt, Leiterin der Urheberrechtsabteilung, und ihre Polizeischergen daran, den Kampf um die kulturelle Freiheit für sich zu entscheiden und der Widerstandsbewegung um Mo und Jo und Open Data Bay ein Ende zu bereiten.
Noch hallt im Namen des Widerstands die commonistische Losung „Eins, zwei, drei! Gebt die Werke frei!“ durch die Straßen dieser Stadt. Aber eine unheilverkündende Allianz zwischen Dr. Sascha Bacon Schmidt und Dani DiLorenzo zieht die Schlinge um Cora, Mo und Jo bedrohlich enger.
Gemeinsam mit den Commonisten verstrickt sich die zunächst ahnungslose Maxi immer tiefer in diesen Kampf um die Ideale einer vergangenen Zeit, die Kunst der Zukunft und das nackte Überleben.
Zur Entstehung von „The Time is Right“
Mit „The Time is Right“ hat das collectvidrama c-atre in einem mehrere Monate dauernden, hochkollaborativen Prozess ein erstes eigenes Stück verfasst.
Nachdem yetzt/Sebastian Vollnhals eine grobe Storyline lieferte, begann das collectiv mit der Ausarbeitung einzelner Szenen. In einer Gruppe von mindestens 10 Personen einen Text zu verfassen, bedarf eines Höchstmaßes an Konzentration, einer demokratischen Debattenkultur sowie der Fähigkeit die eigenen literarischen Lieblinge auch einmal dem Rotstift zu opfern. Dies mussten wir in dem anfänglich recht zähen Schreibprozess erst erkennen, folgerichtig anerkennen und schlussendlich umsetzen. In dieser Zeit lernten wir viel über uns und wie wir als Gruppe zusammenarbeiten wollen. Vor allem aber lernten wir aus unseren eigenen Fehlern und letztendlich konnten wir eine erste Version von „The Time is Right“ vorzeigen.
Zurück im Probenraum freuten wir uns nach Monaten des Schreibens auf das gemeinsame Spielen. Doch die Freude hielt nur kurz. Zwar hielten wir einen dialogischen Text, dessen Wortwitz uns den einen oder anderen Lachanfall zu entlocken vermochte, in den Händen. Was wir jedoch nicht hatten, waren spielbare Situationen bzw. szenische Vorgänge, die eine komplexe fiktive Welt, um diese Dialoge herum zu konstruieren in der Lage waren. Nachdem wir dies und die zahlreichen Plotholes erkannten, entschieden wir uns, den bereits gegangen Weg in eine andere Richtung fortzusetzen und diese erste Version unseres Stückes für einige Zeit ein wenig abseits dieses Weges zu parken, um später wieder darauf zurückgreifen zu können. Wir abstrahierten aus jeder einzelnen Szene die wichtigsten Vorgänge, die essentieller Teil unseres Stücks bleiben sollten und verließen mit den Darsteller_innen der darin vorkommenden Figuren die Schreibstube, um in Improvationssessions die fehlenden Situationen auszuarbeiten. Neben den konkreten Vorgängen war auch die Auseinandersetzung der von den Schauspieler_innen darzustellenden Figuren Teil dieser Improvastionen. Aus den Aufzeichnungen der improvisierten Szenen und den bereits verfassten Stückentwurf entstand in einer weiteren Phase des Schreibens der beinahe finale Text. Nun konnten wir mit spielbaren Szenen und nachvollziehbaren Dialogen in die konkreten Proben gehen, aus denen dann unsere Inszenierung von „The Time is Right“ erwuchs, die im Wesentlichen auf dem nun vorliegenden Textbuch basiert.
Dieses entstand auf der Basis der allerletzten Textversion (Juli 2014), die in unserem Wiki festgehalten wurde. Sie enthält zum Teil recht ausführliche Regie-Anweisungen und einige Anmerkungen, die für unser konkretes Inszenierungskonzept von tragender Relevanz sind. Solltet ihr eine eigene Inszenierung von „The Time is Right“ planen, seid ihr herzlich dazu eingeladen sie zu ignorieren.
Das c-atre wünscht sich eine Welt, in der Kunstwerke jedem frei zugänglich sind und benutzt oder angepasst werden können, anstatt sie mit restriktiven Verwertungsrechten unzugänglich zu vermarkten. Aus diesem Grund haben wir „The Time is Right“ unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht.
Für die Bewegung. Zum Runterladen. Für alle!
Das heißt, Interessierte dürfen:
- das Werke bzw. den Inhalt teilen – das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
- das Werk bzw. den Inhalt bearbeiten – das Material remixen, verändern und darauf aufbauen
- und zwar für beliebige Zwecke, sogar kommerziell.
Zu den folgenden Bedingungen:
- Namensnennung: Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.
Es ist uns ein großes Anliegen den freien Zugang zu Theaterkunst zu fördern. Und so freuen wir uns über jede praktische Auseinandersetzung mit unserem Stück, ob als Theaterinszenierung, als Hörbuch oder als Comic. Gerne dürft uns über solche Projekte informieren und auf dem Laufenden halten.
das collectivdrama c-atre
Berlin, 2014
Weitere Informationen über das c-atre und unsere neuesten Projekte gibt es auf:
http://www.c-base.org/projects/c-atre
Figuren
2112:
- Cop 1
- Cop 2
- Schauspieler_innen
- Maxi, eine Schauspielerin
- Chrissi, die Regisseurin und Intendantin
2042:
- Cora, die Schriftstellerin
- Mo, der Aktivist/Commonist
- Jo, der Aktivist/Commonist
- Dani DiLorenzo, Vertreterin von Universal Disney Fox
- Dr. Sascha Bacon-Schmidt, Vertreterin der Urheberrechtspolizei
- Cop 1
- Cop 2
In einer besonderen Rolle: die Tür/ das Zeitreisegefährt
In einer weiteren besonderen Rolle: das MateLight, das in unserer Inszenierung die jeweiligen Jahreszahlen anzeigt
Das Ende
Berlin, 2112. Theaterbühne.
Die zwei Cops sitzen während des Einlasses schon im Publikum, tippen auf ihren Devices herum. Nach der gelungenen Premiere verbeugen sich die Schauspieler_innen vor dem Publikum. Maxi unterbricht den Applaus:
Maxi: Vielen Dank! Vielen Dank, liebes Publikum. Dass ihr heute, zu unserer Premiere, so zahlreich erschienen seid, freut uns wirklich sehr. Wie ihr vielleicht wisst, bedarf es immer einer Menge Menschen, um so etwas, wie diese Aufführung, auf die Beine zu stellen. Das reicht von den Kollegen dahinten an der Technik, die so fleißig an den Reglern schieben, bis zu unserer wunderbaren Maske. Und auch wir, die heute hier auf der Bühne standen, waren ja nicht ganz unbeteiligt. An dieser Stelle muss ich mich dann auch wie immer bei unseren Sponsoren bedanken. Das sind namentlich: Empyrion Hoverboards, Apple Computer und Fantasie Dönerparadies. Danke. Auch bei uns gibt es eine Person, die im Hintergrund alle Fäden zusammenhält und in jedem Moment weiß, was es zu tun und was es sagen gilt. Das ist unsere wunderbare Regisseurin und auch Intendantin dieses Theaters: Chrissi. Ihr gebührt unser großer Dank und deswegen möchten wir sie, zusammen mit euch, mit einem herzlichen Applaus auf die Bühne bitten.
Chrissi ziert sich, Maxi geht dann zu ihr an den Bühnenrand und zerrt sie sanft hervor.
Chrissi: Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin überwältigt. Es war eine so großartige Erfahrung, mit euch zu arbeiten, auch wenn ich immer wieder daran gezweifelt habe, ob wir das schaffen. Weil wir so viele Hindernisse überwinden mussten, damit wir diese Premiere heute so stemmen konnten. (Cops laufen zügig auf die Bühne zu, Chrissi ist irritiert und redet langsamer) Und. Es. War. Für. Mich. Ein. Sehr. Bereicherndes. Erlebnis. In. Dieser. Heutigen. (Cop 2 bringt sie zum Schweigen. Cop 1 drückt langsam auf ein Armbanduhrdevice, es ertönt eine laute Ansage)
Im Namen des Urheberleistungsschutzrechtgesetzes! Sie werden angeklagt! Sie haben die Pflicht zu Schweigen! Alles was Sie jetzt sagen, kann und wird gegen Sie lizensiert werden!
Im Rahmen dieser Inszenierung wird Ihnen die unautorisierte Veränderung von 8 Textpassagen, 5 Gesichtsausdrücken, 2 Reaktionen und 4 Regieanweisungen zu Lasten gelegt.
Laut §821 des Urheberleistungschutzrechtgesetzes wird, ohne dass es einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung mit Ihrem Fall bedarf, folgende Erststrafe verhängt: In den nächsten drei Jahren dürfen Sie vor nicht mehr als drei Menschen öffentlich reden – respektive keine geschützten Phrasen, Zitate oder Gesichtsausdrücke – mehr verwenden.
Cop 2 legt ihr grob eine Art Fessel um den Hals.
Wir legen Ihnen zur Kontrolle eine elektronische Sprach- und Mimikfessel um. Im Falle eines Vergehens erhalten Sie umgehend einen Impuls, der Ihre Stimmbänder für die nächsten 14 Tage lähmt.
Die detaillierte Auflistung der von Ihnen vorgenommen, unbefugten Veränderungen und Manipulationen eines geschützten Stückes können Sie in Ihrer Akte 7609863729049 nachlesen.
Des Weiteren ist das Theater geschlossen!
Die Cops zerren Chrissi von der Bühne. Die anderen verbleiben irritiert.
BLACK
Der Besuch
Berlin, 2042. Coras Wohnung.
Cora sitzt an ihrem Schreibtisch und schreibt. Plötzlich klingelt es an der Tür.
Jo: Hallo Cora!
Mo: Überraschung!
Cora: Oh… hallo, ihr beiden! Was macht ihr… (Mo unterbricht sie.)
Mo: Ach, wir waren gerade in der Gegend und da dachten wir, wir besuchen unsere Lieblingsschriftstellerin mal wieder! (Die beiden Aktivisten treten ungebeten ein.)
Cora: Ähm, ja, kommt rein!
Jo: Schön, schön, immer wieder nett bei dir zu sein. Nicht so dunkel wie in unserem Hauptquartier und es riecht auch deutlich besser.
Cora:Äh, ja, ich geb mir Mühe.
Jo: Ja, das ist ja auch angemessen für so eine Muse der freien Kultur! (setzt sich, Mo guckt sich währenddessen in der Wohnung um)
Jo: Oh, wir haben dich beim Schreiben gestört. Worum geht’s denn bei diesem neuen Meisterwerk?
Cora: Es ist ein Stück über eine Frau, die gegen alle gesellschaftlichen Widerstände und gegen das System, das ihr alles genommen hat, aufbegehrt und einen Weg findet sich nicht mit einer Repressionskultur arrangieren zu müssen, sondern die gesellschaftlichen Schranken zu unterwandern.
Jo hört begeistert zu. Mo entdeckt bei seinem Streifzug eine Flasche.
Mo: Wow, das ist aber ein edles Tröpfchen, was du hier hast. Das ist… “Mit freundlichen Grüßen von UDF”?!
Cora: Das ist nur so ein blödes Geschenk.
Mo: Universal Disney Fox?
Jo: UNIVERSAL DISNEY FOX!!!
Mo bringt die Flasche und drei Shotgläser an den Tisch.
Cora: Kein Grund zur Sorge. Wirklich. Ich, ich, kriege nur hin und wieder Besuch von denen.
Jo: Diese Aasgeier!
Cora: Die machen mir immer wieder Angebote. Aber ich, ich kooperiere nicht mit denen. Versprochen.
Cora: Die kommen einfach unangekündigt vorbei. Und lassen Geschenke da. Aber ich werde nicht mit denen zusammenarbeiten. Ehrenwort. Wirklich.
Mo: Einem geschenkten Gaul. Schon klar. (schenkt aus)
Jo: Ach, Cora. Früher, weißt du, da hast du noch mit uns auf Demos in der ersten Reihe gestanden. WIR WOLLEN NUR, FREIE KULTUR! (beim zweiten Teil des Spruchs stimmt Mo ein, beide trinken den Schnaps, Cora zögert)
Jo: Und heute, und heute, da trinkste den Fusel vom Feind. Cora, Cora, Cora… Denk an die Bewegung! Gerade deine frühen Stücke! Das war doch der Anfang von allem, vom Widerstand! Die Bewegung und Cora, Cora und die Bewegung. Du bist doch so wichtig für uns. Auch wenn du dich nicht mehr so oft blicken lässt. Wir vermissen dich, deine Inspiration, deinen freien Geist.
Cora: Wisst ihr, ich würde so gerne. Aber ich habe Rechnungen zu bezahlen. Handfeste Summen. Da helfen mir eure freien Lizenzen nicht weiter.
Jo: Blasphemie!
Cora: Ich hätte die Möglichkeit…
Mo: (schenkt wieder ein) Hätte, hätte, Verwertungskette! Hauptsache wir haben uns! Solange du nichts unterschreibst, ist doch alles gut. Du bist frei.
Jo: Es geht doch nicht nur ums Unterschreiben von irgendwelchen Verträgen, es geht um das große Ganze! Unsere Arbeit im Untergrund, die Bewahrung von freiem Wissen, freier Kultur, ohne Schweine-Monopolisten, die jeden Pups, der dir entfleucht, lizenzieren wollen!
Cora: Ja, ja. Da bin ich doch auf eurer Seite! Ich versuche doch, in meinen Stücken Kritik zu üben. Eben mehr inhaltlicher Widerstand als Protest auf der Straße.
Jo: Man kann sich auch alles schönreden!
Mo: Man kann sich auch alles schönTRINKEN! (schenkt ein, alle trinken)
Mo: Aber wichtig ist, dass du überhaupt etwas machst. Und das tust du ja. (schenkt ein)
Jo: So wie früher?
Mo: So wie früher!
Mo hebt das Glas und stimmt folgendes Lied an. Jo steigt ein. Cora sitzt währenddessen etwas befangen da.
Mo und Jo:
Und weil der Poet ein Poet ist
Drum kann er sich nur selbst befrei’n!
Es kann die Befreiung der geistigen Werke
Nur das Werk der Freigeister sein!
(peinliche Pause)
Mo: Sag mal, du hast doch immer noch deinen Geldjob am Staatstheater, nicht wahr?
Cora: Ja.
Mo: Die haben da doch auch ein Archiv.
Cora: Ja, ein ziemlich großes sogar.
Mo: Wir würden da gerne mal ein paar Blicke in die Regale werfen. Ich hab gehört, dass dort noch Sachen liegen, die seit Ewigkeiten niemand angefasst hat.
Cora: Ja, aber, was wollt ihr ….
Jo: Cora, überleg dir mal, was so aktivistische Gruppen, so wie wir, damit alles anfangen könnten.
Cora: Aber …
Jo: Wie kommt man denn in das Archiv? Über den Haupteingang?
Cora: Nee, das ist im hinteren Teil des Gebäudes, da muss man über den Bühneneingang rein. Aber was hat das…
Jo: Das ist deine einmalige Chance, für die Bewegung wieder ein bisschen aktiver zu werden!
Mo: Gibt’s da ein Irisscan? Fingerabdrucksensoren? ID-Chip?
Cora: Ich hab so eine Schlüsselkarte.
Mo: Magst du uns die mal zeigen?
Cora: Ich. Nein. Ich weiß nicht ….
Jo: Das fänd ich jetzt auch ‘nen guten Zug von dir, wenn du da mal was zurückgibst.
Mo: Wir wollen uns nur mal den Code ansehen. Nichts Schlimmes. Keine Angst, dein Name wird da nirgends auftauchen. Dir kann nichts passieren.
Cora: Na gut…
Cora holt die Karte. Währenddessen schlagen Mo und Jo hinter ihrem Rücken ein.
Cora: Hier. (sie gibt Mo die Karte, er scannt sie mit einem Device ein)
Mo: Du warst das letzte Mal da vor vier Tagen?
Cora: Ja, genau.
Mo: Und geboren bist du am 12…
Cora: Am 12. November 2012.
Mo: Ah, ja, ok, ok. Das dürfte kein Problem sein. Danke. Können wir die uns für morgen mal ausleihen?
Cora: Wollt ihr das wirklich tun? Das kann euch Kopf und Kragen kosten.
Jo: Keine Angst. Wir haben das unter Kontrolle. Das Wichtigste: Du bist wieder dabei, Cora, das freut uns wirklich sehr.
Mo: 1, 2, 3 gebt die Werke frei! (alle trinken)
BLACK
Die Reise
Berlin, 2112. Im Requisitenmagazin des Theaters.
Das Requisitenmagazin ist ein dunkler, verstaubter Raum mit allerlei Krimskrams. Chrissi hat sich vor lauter Frust eine Flasche Schnaps geschnappt und schon ordentlich davon getrunken.
Chrissi: Alles vorbei. Alles aus. Maxi?! Maxi!?
Maxi kommt und durchschreitet sofort das gesamte Magazin und bestaunt es.
Chrissi: Hier, Maxi, das ist mein Requisitenlager, mein Fundus. Hier warst du bestimmt noch nicht.
Maxi: Nein, hier war ich wirklich noch nie. Wow! Das ist ja awesome!
Maxi hat in der Zwischenzeit die ersten spannenden Sachen entdeckt.
Maxi: Das ist ja der Wahnsinn! (findet ein blickendes Kabel) Guck mal: ein Gehirnstrommesser! (hält sich die Adapter an den Kopf und imitiert ein Stromgeräusch)
Chrissi(findet eine Stromsteckerleiste): Eine 20 Jahre alte Steckerleiste. So etwas hatten wir damals noch bei “Die Ölung”. Das waren noch Zeiten.. mit der schönen Maria in der Hauptrolle. Die Bühne war mit LED-Strahlern ausgeleuchtet – und dann stolpert Maria über genau so ein Ding, mitten in der dramatischsten Szene! Plötzlich war die ganze Bühne in schwarz getaucht.
Maxi entdeckt eine Pappbox, die sie aus Versehen ausschüttet.
Maxi: Aaaaaawwwww, Tribbles!
Chrissi: Oh, Maria! Was für eine Schauspielerin! (sehnsüchtiger Blick auf die Steckerleiste)
Maxi: Wow! (bezieht sich aber auf einen gefundenen Gegenstand.)
Maxi schaut sich weiter um, entdeckt einen in Formaldehyd eingelegten Penis, liest den Labeltext.
Maxi: Lars Eidinger? Wer war denn Lars Eidinger?
Chrissi: Ein echter Charakterdarsteller.
Maxi: Eindeutig.
Chrissi: Wir haben uns inspiriert, als Künstler und als Menschen. Damals gab es noch echtes Qualitätstheater.
Maxi findet einen Schal.
Maxi: Mensch, das ist ja organisch. 100% COTTON! So etwas gibt es doch heute nicht mehr! Da hat das Theater wohl wirklich noch bessere Zeiten gehabt. So schön weich und warm.
Beide haben sich inzwischen den Schal umgeworfen und schauen in die imaginierte Ferne.
Chrissi: Oh ja. Der riecht wirklich nach besseren Zeiten. Nach dem guten alten Theater. Nach Maria…
Maxi: Das ist es! Das ist die Lösung!
Chrissi: Lösung?
Maxi: Na, hier sind überall diese seltenen Dinge. Raritäten. VINTAGE! Ich bin mir 100%ig sicher. Es gibt viele Menschen, solche Dinge unbedingt haben wollen und viel Geld dafür bezahlen würden! Geld, das wir jetzt gut brauchen können. Na!
Chrissi: Ach, ich weiß nicht. Mir sind doch jetzt die Hände gebunden! Der Mund verboten! Der Hals zugedreht!
Maxi: Nein. Nein. Doch. Doch. We gonne be the big money maker! Shake your money maker! (Bootie shake, stößt dabei gegen die Zeitmaschine aka die Tür)
Chrissi: Ach Honey. Never mind the money. All meine Lebensenergie steckt nur in diesem Theater, und dann soll ich noch beim Ausverkauf mitmachen?? Da kann ich ja gleich eine Inventurliste machen!
Maxi schaut die Zeitmaschine an und versucht sie zu öffnen, vergebens.
Maxi: Sehr gute Idee. Kategorie 1: groß und sperrig und nutzlos.
Chrissi: Oh, die ist uralt. Die wurde mal für die Bühnenadaption einer englischen Fernsehserie gebaut. Das war lange vor deiner Zeit…
Maxi: Aha.
Maxi versucht die Tür zu öffnen, die aber verschlossen bleibt. Sie fuchtelt mit ihren Armen und versucht es mit Hilfe der Macht (Suggestion). Chrissi steckt den Stecker ein. Die Türen öffnen sich und Maxi betritt das Ding.
Maxi: Wow! Das ist, wow! Chrissi, das musst du dir ansehen! Das ist drinnen viel größer als draußen.
Chrissi: Pass bloß auf! Ich bin mir nicht mehr sicher, was die genau…
Maxi: Hab dich nicht so. … Ui, Knöpfe! (drückt diese)
Zeitmaschine ruckelt und zuckelt.
BLACK
Chrissi: Maxiiii?
Die Bedrängnis
Berlin, 2042. Coras Wohnung.
Cora sitzt an ihrem Schreibtisch. Es klopft an der Tür. Sie reagiert nicht. Es klopft noch einmal. Sie seufzt genervt und geht zur Tür. Dani DiLorenzo tritt ein.
Dani: Aaaaaah, Frau Winter! Wie schön, wieder bei Ihnen zu sein.
Cora (genervt, aber um ihre Contenance bemüht): Was kann ich für Sie tun?
Cora setzt sich an den Schreibtisch, um weiterzuarbeiten. Dani folgt ihr langsam.
Dani: Oh, da habe ich Sie wohl direkt in Ihrem kreativen Fluss gestört. (Pause) Wollen Sie mir nicht einen Platz anbieten? (nimmt sich selber einen Stuhl, da Cora nicht reagiert)
Dani: Sie waren auch schon mal gastfreundlicher, Frau Winter!
Cora: Ja, aber damals standen auch nicht ständig Vertreterinnen und Vertreter Ihres Unternehmens in meiner Haustür!
Dani hat sich gesetzt und schaut sich im Zimmer um.
Dani: Wie viele Leute lesen denn Ihre Stücke so in der Regel?
Cora: Das weiß ich nicht. Das ist mir auch egal.
Dani: Das heißt, Sie sind eine dieser Künstlerinnen, die ein Werk erschaffen, ohne dass es sie interessiert, wie das Publikum darauf reagiert?
Cora: Das Konzept mag Ihnen fremd sein – aber ich möchte mich zunächst erstmal selber verwirklichen, meine Ideen zu einem Ganzen zusammenfassen.
Dani: Die Autorinnen und Autoren von Universal Disney Fox werden durchschnittlich von tausenden, ach was, hunderttausenden von Menschen gelesen. Monatlich, im e-book-Sektor. In einer Sprache. Wenn wir Ihr Stück übersetzen lassen würden, nur hypothetisch, dann wären das Milliarden Leser, (lacht), naja, wir wollen nicht übertreiben, Millionen!
Cora: Das sind wunderschöne Zahlen. Damit wäre aber auch verbunden, dass ich mich kreativ einschränken und mich an ihre inhaltlichen Vorgaben richten müsste.
Dani: Ach, Frau Winter, wir wollen Sie doch nicht zensieren, das läge uns komplett fern. Wir beschränken unsere Autorinnen und Autoren nicht, wir liefern nur… Vorschläge. Wir betreiben exzessives Kundenmonitoring, wir schauen, nach was die Volksseele dürstet. Nein, nein, wir zensieren nicht, wo kämen wir da hin?
Cora schweigt.
Dani: Wissen Sie, Frau Dr. Winter, wenn ich mir Ihre Wohnung so ansehe… Wären Sie Autorin bei Universal Disney Fox, könnten Sie sich eine Wohnung der doppelten, ach was sag ich, der dreifachen Größe leisten! Mit einem wunderschönen Ausblick auf den Fernsehturm! Diese pinken Sonnenuntergänge in Berlin – das bricht einem das Herz! Eine unserer Autorinnen hat sich letztens einen Whirlpool geleistet…
Cora (unterbricht sie): Ja, aber, aber für eine größere Wohnung hätte ich gar nicht genug Möbel!
Dani: Ha, Sie sind ja goldig! Deswegen sind wir auch an Ihnen interessiert. Weil Sie so goldig sind! (kurze Pause) Was essen Sie denn am liebsten?
Cora: Nudeln.
Dani: Ach ja, Sie gehören ja zu dieser urbanen Bohème, die sich nur von Nudeln und Döner ernährt, weil Sie zu wenig Einkommen haben. (Kunstpause) Nun stellen Sie sich mal vor: Handgedrehte Tagliatelle mit einem Pesto aus Basilikum und diesen kleinen Kirschtomaten, die von kleinen Kindern in der italienischen Sonne handgepflückt wurden und das Ganze in einem Parmesanlaib! Oder am nächsten Tag, wenn Sie möchten, Steinofenpizza mit diesen kleinen Scampi. Ich persönlich mache mir ja nicht so viel aus denen, aber …
Cora (unterbricht energisch): Nein, das ist viel zu, viel zu, das brauche ich nicht. Ich muss noch weiter schreiben. Bitte gehen Sie doch! Ich mach Ihnen sogar die Tür auf. (öffnet die Tür)
Dani: Frau Winter… (steht auf), ich lasse Ihnen mal etwas hier. (nimmt einen Vorvertrag aus der Tasche)Das ist eine ungefähre Aufstellung der Summen, die Sie erhalten könnten, wenn Sie bei uns als Autorin tätig werden. Hypothetisch. Ein paar Titelvorschläge, ein paar thematische Hinweise und mögliche Vertragsbedingungen. Ich lass Ihnen das einfach mal hier. Überlegen Sie sich es. (deutet Kussverabschiedung an) Bussi. Bussi.
Cora sieht sich den Vertrag an, ist für einen kurzen Moment positiv erstaunt über die darin enthaltenden Zahlen im Vertrag, legt in dann beiseite und kümmert sich wieder um ihren Text.
Die Ankunft
Berlin, 2042. Im Requisitenlager des Theaters.
Die Commonisten haben sich verbotenerweise mit Coras Schlüsselkarte Zutritt verschafft und führen eine geheime Geheimaktion durch.
Jo: Hier liegt ja noch mehr Krempel rum!
Mo: Magnetbänder! Diskettenlaufwerke! Celludloid! Lochkarten! Das ist ja voll die Zeitreise! Schau mal, hier ist noch alles in Ordnern! Hier, 2014, 2016, ähm, 2022, 2023, oh, 2034… Was genau suchen wir denn eigentlich?
Jo:Also 2014, 2016 auf jeden Fall! Danach gab es ja dieses Handelsabkommen und dann war eh alles komplett durchlizenziert!
Mo: Ich mach hier mal einen Stapel.
Jo (durchsucht weiter): Sehr gut. Hier das kannste alles vergessen, Universal Disney Fox, Universal Disney Fox, das auch, das auch, ach, fuck…
Mo findet ein sehr sehr altes Buch und rennt zu Jo hin.
Mo: Hier, riech mal!
Jo: Aaaaaaaah, Papier, der Duft der Freiheit!
Mo legt das Buch auf den Stapel.
Jo (sucht weiter): Freifunk, das klingt auch interessant.
Plötzlich beginnt die Zeitmaschine zu leuchten. Maxi fällt aus der Zeitmaschine. Ihr ist furchtbar schlecht von der Reise durch die Zeit.
Jo (leise): Fuck. (Pause) Scheiße. Meinst du, das ist ‘n Cop in zivil?
Mo (auch leise): Nee, sieht eher nicht so aus. Die ist doch voll druff!
Mo (zu Maxi, lauter): Halloooooo? Wer bist du? (tritt näher) Gehts dir gut?
Maxi schüttelt den Kopf.
Mo: Bist du hier vom Theater?
Maxi nickt.
Jo (leicht aggressiv): Bist du allein hier?
Maxi (schaut zum ersten Mal auf): Nein. Doch. (Pause) Chrissi? Eben war sie doch noch hier. (würgt) Und hat von Maria erzählt, mit den …
Maxi kotzt in eine Ecke des Requisitenlagers.
Jo:Das ist schon wieder so eine Scheißaktion, ey!
Mo:Die ist wirklich völlig daneben.
Jo: Ey, mann, ey, wir können hier uns hier kein beschissenes Sicherheitsrisiko leisten. Lass uns mal noch weitersuchen. Der können wir eh nicht helfen.
Jo rennt hektisch durch den Raum, holt vereinzelt Bücher oder Festplatten aus den Regalen und legt sie auf den Stapel. Mo kümmert sich weiter um Maxi.
Jo (zu Mo): Ey, Alter, was machst du da? Achte mal ein bisschen auf die Sicherheit unserer Operation! Ich glaub, es hackt!
Plötzlich wird das Requisitenlager in gleißendes Licht getaucht. Eine Sirene ertönt. Man hört in einiger Entfernung Gepolter und Stimmen.
Jo: Oh fuck! Die Cops?!
Mo: Was! Fuck ey, Scheiße!
Jo: Hier, schnell! (rennt zum Stapel) Hilf mir mal!
Mo: Ey, aber wir können die doch nicht einfach hier lassen!
Jo: Willst du die etwa mitnehmen?
Mo: Sie hat unsere Gesichter gesehen. Die verrät uns doch sonst noch!
Jo: Ok, auf dein Risiko!
Alle drei fliehen.
Die Cops kommen. Cop Nummer 1 geht voran, stoppt als er das Requisitenlager ohne die Commonisten erblickt. Cop 2 kommt kurz danach an.
Cop 1: NNNNOOOOOOOIIIIIIIIIIINNNNN! (durchkämmt aggressiv das Lager)
Cop 2: Mhm, ja, schade, da haben wir sie wohl gerade so verpasst. (durchkämmt entspannter das Lager, lässt seinen Blick über die Bücher schweifen)
Cop 2: Da müssen wir wohl noch schauen, ob sie sich woanders… Oh! Hamlet! Das habe ich das letzte Mal in der 7. Klasse gelesen! (beginnt zu lesen)
Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,
Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.
Doch wißt, auch Eurem Vater starb ein Vater;
Dem seiner, und der Nachgelaßne soll,
Nach kindlicher Verpflichtung ein’ge Zeit
Die Leichentrauer halten.
….
Dieser Monolog aus dem 1. Aufzug, 2. Szene darf gerne durch Sascha oder Nr. 1 vorzeitig unterbrochen werden, der währenddessen weiterhin durch das Lager wütet.
Cop 1: Ich. Habe. Meinen Vater. Ich bin eine einzige Enttäuschung. Vater! Es tut mir so leid. Ich bin kein Hüter des Staates, wie du es warst!
In der Zwischenzeit hat sich Sascha unbemerkt angeschlichen und das Versagen ihrer Untergebenen beobachtet. Sie macht auf sich aufmerksam. Cop 1 steht sofort stramm. Cop 2 klappt das Buch zu.
Sascha: Sehe ich das richtig, dass hier die Inhaftierung der gesuchten Subjekte fehlgeschlagen ist?
Cop 2: Also, ich weiß auch nicht. Unser Kommen wurde wohl bemerkt. Wir konnten unsere Taktik gar nicht….
Sascha: Sehe ich das richtig, dass der Auftrag nicht erfüllt wurde?
Cop 2: Ja, das lief suboptimal, aber….
Cop 1 (schreit) Er liest!!! (Fingerzeig auf Cop 2, strenger Blick von Sascha) Pardon.
Sascha: Sehe ich das richtig, dass Sie auf ganzer Linie versagt haben?
Cop 1 (rastet aus): DUUU WARST ZU LANGSAM!
Strenger Blick von Sascha, Nr 1 fasst sich, geht wieder auf seine Position.
Cop 1 (salutiert): Excusez-moi.
Sascha: Denken Sie, dass Sie für diese nicht-erbrachte Leistung entlohnt werden sollten?
Cop 2 (setzt an): Ja. Ich denke schon, ….
Cop 1: Nooooooiiiin, ich bin es nicht wert! Ich habe Sie enttäuscht, und meinen Vater! Ich werde nie ein guter Diener dieses Staates!
Sascha: Das muss noch eruiert werden. Fürs Erste belasse ich es bei einer Regulierung Ihrer Lohnzahlungen. Ihrer beider. Dann werden Sie mir aber beweisen müssen, dass Sie nicht überflüssig sind.
Sascha geht zügig ab. Die Cops trotten hinterher.
Die Erkenntnis
Berlin, 2042. Im Commonisten-Hauptquartier.
Maxi sitzt auf dem Sofa. Jo scannt die Fundstücke aus dem Requisitenlager. Mo reicht Maxi etwas zu trinken.
Mo: Hier, trink erstmal was!
Maxi: Danke.
Pause.
Mo: Geht’s Dir denn besser? Oder ist dir immer noch schlecht?
Maxi: Ein bisschen flau im Magen. Aber es geht.
Pause.
Mo: Was hast du denn eigentlich im Theater gemacht?
Maxi: Ich hab Dinge gesucht.
Mo: Das haben wir auch. Stücke, Texte, Inhalte?
Maxi: Nein, Stoffe, seltene Metalle, Holz. Dinge, die ich verkaufen kann.
Mo: Wir haben Dinge gesucht, die wir verschenken können.
Jo: Teilen ist das neue Haben! Aber, ganz ehrlich, Mo, das war ne Scheißaktion! Das muss das nächste Mal besser laufen! Dass da plötzlich die Bullen kommen. Und wir jetzt so eine (sucht nach Worten) an der Backe haben.
Maxi: Die Bullen waren doch eh schon da.
Mo: Na, das hoffe ich doch nicht.
Maxi: Doch. Die haben Chrissi nach der Premiere dieses Ding um den Hals gelegt.
Jo (zu Mo): Das sind so Dinge, die wir wissen müssen. Eine Premiere! Das darf uns nicht passieren! Das war deine Aufgabe!
Mo: Da war nichts. Ich hab doch den Spielplan gecheckt.
Jo: Ja, scheinbar nicht!
Mo: Alter, jetzt kack mich nicht so an. Ich hab dir doch die Spielplan-Files alle vorher gezeigt.
Maxi: Aber wir haben heute Premiere gehabt. “Verhängnisvolle Verwicklungen”. Dann kam die Content-Security und hat das Theater geschlossen.
Jo: Geschlossen? Wir sind da doch normal reingekommen. Also, “normal”. Mann, ey, Mo, dass da solche Sachen im Gange sind, das müssen wir vorher wissen! Wir müssen schneller sein als die Cops!
Mo: Wir waren schneller als die Cops! Wir haben doch auch was Anständiges gefunden, oder?
Jo: Ich hab das alles schon gesichtet! Während du hier netten Kaffeeklatsch machst, hab ich alles eingescannt, was zu gebrauchen ist! Du könntest auch mal ein bisschen aktiver werden.
Mo: Diese Diskussion wieder.
Jo: Ok. Der größte Teil ist jetzt auf Open Data Bay hochgeladen. (nimmt sein Tablet-Device und reicht es Mo) Da sind mittlerweile einige hundert Peers und ziehen sich das schon.
Mo: Gut. Sehr gut.
Jo: Resultate! Für die Bewegung! Die kommen nicht vom Blasen schwatzen!
Maxi: Was?! Open Data was?! (nimmt sich das Tablet)
Mo: Naja, wir suchen nach Inhalten, die noch nicht von UDF lizenziert worden sind und stellen die ins Netz.
Jo: Alter!!!! Kannst du mal deine Klappe halten!
Maxi: Aber es ist doch eh alles von Universal Disney Fox lizenziert!
Jo: Naja, ich mag ja deine Naivität. Aber lass dir mal von einem alten Aktivisten sagen, es gibt Ecken im Internet, wo Universal Disney Fox nicht ist.
Maxi: Also bitte! Du kannst doch nicht mal den Sonnengruß ohne die freundliche Unterstützung von Universal Disney Fox machen.
Jo und Mo schauen sich fragend an. Maxi scrollt weiter im Device.
Maxi: Das Ding ist eh kaputt.
Jo: Kann nicht sein. Das hat uns noch nie im Stich gelassen.
Maxi: Noch nicht mal das Datum stimmt.
Mo: Doch. Ist alles synchronisiert.
Maxi: 03. Juli 2042.
Mo: Das ist der heutige Tag.
Maxi: 2042? 2112!
Jo: Was redest du da für’n Scheiß?
Maxi: Wir leben im Jahr 2112.
Jo & Mo: Nein.
Maxi: Doch.
Mo: Hier schau mal, meinen ID-Chip. Wenn wir 2112 hätten, wäre ich jetzt 100.
Maxi: Ach, komm. Ein externer ID-Chip. Verarsch mich nicht!
Mo: Doch, und der ist wirklich echt! Sehe ich etwa aus wie 100?
Sehr lange Pause.
Mo (leicht pikiert): Das hat jetzt aber etwas zu lange gedauert. Das merk ich mir.
Maxi fällt etwas in sich zusammen und rekapituliert die Situation.
Maxi: Von einem Wissenschaftler. Für die Adaption einer britischen… Ach du…
Mo: Wovon redest du?
Maxi: Sie wurde von einem Wissenschaftler gebaut. Und ich bin da rein und hab ein paar Knöpfe gedrückt.
Jo: Hä?!
Maxi: Die Tür! Ich hab doch nur ein paar Knöpfe gedrückt! Und dann war plötzlich … Contenance! Ich muss Chrissi erreichen. Sie kann mir helfen.
Maxi zieht ihren Ärmel hoch. Es kommt ein Device, welches in ihrem Arm implantiert ist, zum Vorschein.
Maxi (spricht in ihren Arm): Chrissi? Chrissi? Scheiße.
Jo: Sie redet mit ihrem Arm?
Maxi springt auf und versucht Empfang zu kriegen.
Mo: Wen willst du denn da erreichen?
Maxi: Na, Chrissi, meine Regisseurin!
Jo: Und die wohnt in deinem Arm?
Maxi: Nein, wir sind connected. Normalerweise. 2042? 2112! 2042? 2112! Externe IDs?! Open Data Dings!? Komische Klamotten?!
Maxi (zu Mo): Kann das sein? Kann das wirklich möglich sein? Bin ich? In der Zeit? Gereist? Mit der Tür?
Jo: Zeitreisen?!?! Die ist verrückt.
Mo: Würde mich nicht wundern. Schau doch mal, wie lange Leute das schon versuchen. Dass es das in der Zukunft wirklich gibt und die Leute gelernt haben, was weiß ich, Schwarze Löcher zu kontrollieren – kann doch alles möglich sein!
Jo (spöttisch): Und, was gibt es da in deiner in der Zukunft? Fliegende Autos?
Mo (ernsthaft begeistert): Weltfrieden? Unendliche, saubere Energie? Oder Hoverboards, die übers Wasser fliegen können?!
Maxi: Hä? Was? Hoverboards, klar! Wenn du die entsprechende Lizenz hast, die ein Vermögen kostet. Und das ist jetzt auch völlig irrelevant!
Jo: Klingt fast realistisch.
Mo: Alter, du machst doch sonst immer so einen auf Visionär. Wenn das stimmt, dann… Überleg dir doch mal die Möglichkeiten!
Maxi: Ich muss wieder zurück! Ins Theater!
Jo: Moment mal. Das letzte Mal, als wir da einge….reingegangen sind, hat das schon etwas Planung gebraucht.
Maxi: Nein. Ich muss sofort zurück! Das ist doch alles nur ein verrückter Alptraum hier! Ich will zurück! Jetzt!
Mo:Beruhig dich doch mal.
Maxi: Ich will mich nicht beruhigen! Ich. Will. Zu. Dieser Tür!
Mo: Ok. (zu Jo) Vielleicht können wir zu Cora und sie fragen, ob sie noch ne Möglichkeit weiß, ins Theater zu kommen. Die haben jetzt bestimmt den Code geändert.
Jo (immer noch leicht spöttisch): Ja, dann hätten wir auch einen Störfaktor weniger.
Maxi: Hast du mich gerade Störfaktor genannt?
Jo: Ach, nee. Das ist für Cora bestimmt auch interessanter Stoff, so eine Zeitreisende!
Mo (ernst): Oh ja, da könnte man was draus machen…
Sie gehen ab. Zuerst die Commonisten. Maxi folgt.
BLACK.
Das Gespräch
Berlin, 2112. Coras Krankenlager.
Die alte, kranke Cora liegt auf dem Sofa/ Krankenbett. Chrissi ist zu Besuch.
Chrissi: Willst du noch ein Stückchen? (hält ihr eine Schachtel Pralinen hin)
Cora: Oh ja, sehr gerne.
Pause.
Chrissi: Ich weiß nicht mehr weiter, Cora.
Cora (aufmunternd): Ach komm!
Chrissi: Ich hab mein ganzes Leben im Theater verbracht. Ich kenne nichts anderes. Ich war so naiv. Ich wollte mit Theater Geschichten erzählen, die Menschen bewegen – und auch wenn es nicht viel ist – den Menschen das Gefühl geben, in eine andere Welt einzutauchen! Jetzt wirst du auf offener Bühne zusammengeprügelt und wie ein Hund verwanzt, weil du ein wenig von der Vorlage abgewichen bist. (Pause) Und ich weiß nicht, wo Maxi steckt. Weißt du noch Maxi, diese junge, talentierte Schauspielerin aus dem Ensemble? Wir sind in das Requisitenmagazin hinein und dann ist sie durch eine Tür gegangen aus dieser Adaption der britischen TV-Serie, die wir mal gespielt haben.
Cora: Die taucht schon wieder auf. Du weißt doch, wie diese jungen Dinger sind!
Chrissi: Vielleicht hast du recht. Vielleicht auch nicht. Ach, scheiße. (Pause) Alles ist hinüber. Alles, was ich jemals gemacht habe, ist nichts mehr wert! Wenn du so eingeschränkt bist, indem was du machst, indem was du liebst, dann ist es irgendwann nicht mehr das, was du eigentlich wolltest. Was ist denn aus uns geworden? Wir waren doch mal Künstlerinnen!
Cora: Ich bin immer noch eine. Aber was hast du dir denn auch dabei gedacht?! Du hast ein Stück verändert! Du bist da auch ein bisschen selbst schuld!
Chrissi: Ein Stück verändert? Ich habe es inszeniert! Das ist doch ein schöpferischer Akt und keine Maschinerie! Ich wollte doch nur, dass die Leute das nachfühlen können! Theater heißt doch nicht, vom Zettel abzulesen und das Ganze möglichst werktreu auf eine Bühne zu packen!
Cora: So sind aber die Regeln! Wenn du etwas werden willst, musst du dich an die Regeln halten.
Chrissi: Seit wann gibt es denn in der Kunst Regeln? Diese Starrheit zerstört doch jede Kreativität! Früher hast du doch auch die Grenzen ausgetestet! Das müsstest du doch von allen am besten verstehen! Oder?
Cora: Ohne Opfer zu bringen geht es eben nicht.
Chrissi: Opfer? Wann musstest DU denn mal Opfer bringen?
Cora: Ach. Ach. Es ist lange her. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern.
Chrissi: Ich kann noch nicht mal mehr vor mehreren Menschen reden. Noch nicht mal mehr privat! Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr.
Pause.
Cora: Wo wir gerade bei privat sind: Wie geht’s denn sonst so bei dir?
Lange Pause.
Chrissi: Noch eine Praline?
BLACK
Der Deal
Berlin, 2042. In einem Café.
Sascha verbringt ihre Mittagspause bei einem Tässchen Kaffee. Dani kommt zu Saschas Tisch und beugt sich nah sie heran.
Dani: DOKTOR Bacon-Schmidt.
Sascha: Frau DiLorenzo. Dass ich diesen Anblick mal in meiner Mittagspause erleben darf.
Dani: Sie haben Jahre darauf gewartet, dass Sie das sagen können, oder? Dass ich mich mal hierher verirre.
Sascha: Sie schmücken…
Dani: Danke. Ich komme auch gerade von meiner Kleinen. Wissen Sie, manchmal brauchen Frauen… (imitiert Orgasmus mit etwas höherer Stimme) Mhm, ja, weiter links, oh ja, da, oh, oh…
Sascha (unterbricht sie): Frau DiLorenzo, bitte! Zu viele Informationen. Zu wenig Inhalt. Könnten Sie bitte zur Sache kommen, und mir erläutern, was Sie heute zu mir führt?
Dani: Wie Sie vielleicht wissen, bin ich seit geraumer Zeit hinter einer Autorin, Belletristik und Drama, hinterher, die sich partout weigert, bei uns unter Vertrag zu kommen. Ich mag es ja eigentlich, wenn sie sich erst immer ein bisschen zieren, aber dieses Mal geht es mir gewaltig auf den Keks.
Sascha: Frau Dr. Winter fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.
Dani: Ich denke schon. Wissen Sie: Im Rahmen unserer Akquise haben wir eine kleine Komplettüberwachung dieser Autorin eingeleitet und was haben wir da festgestellt? Sie trifft sich hin und wieder mit ein paar ominösen Gestalten. Ich glaube ihre Institution nennt diese Gestalten Urheberrechtsaktivisten, Kulturterroristen…irgendwie so etwas.
Sascha: Nun bin ich ganz Ohr.
Dani: Ach, wir sind doch Menschen, die gerne was fürs Auge haben. (zieht ein Videobeweis-Device)Sehen Sie: Das ist eine Aufnahme von vor wenigen Tagen, wie diese Urheberrechtsaktivisten oder Kulturterroristen an der Haustür von Frau Winter klingeln. Dann, switch zur Innenkamera, in ihre Wohnung treten. Das gleiche ist außerdem passiert vor 17 Tagen und vor 43 Tagen.
Sascha: Auch wenn mich Dr. Winter immer noch nicht interessiert, scheint mir das, was ich hier sehe, von rechtsstaatlicher Relevanz zu sein, nur kann ich ihre Aufnahme nicht als Beweis nutzen. Auch wenn ich das nur zu gerne tun würde. Sie wissen, ich kämpfe für die korrekte Einhaltung des Urheberrechts. Davon profitiert auch Ihr Unternehmen. Doch diese Aktivistengruppen, die “Commonisten”, wie sie sich nennen, behindern meine Arbeit. Sie unterwandern mein System!
Dani (ironisch): Orrr! Orrr! Orr! Na, da trifft es sich doch, dass wir zwei Hübschen gerade zufällig bei einander sitzen. Ich habe nämlich noch ein kleines Schmankerl für Sie. Wissen sie, ich habe Connections in so ziemlich jedes Theater des Landes, unter anderem auch zum Staatstheater Berlin!
Sascha schaut verschämt weg.
Dani: Da klingelt vielleicht etwas bei Ihnen. Sie wurden letztens von meinen Informantinnen dabei beobachtet, wie sie Kulturterroristen im Staatstheater verfolgten, weil diese dort eingebrochen sind. Nuuuuuun, wissen Sie, was meine Informantinnen außerdem gefunden haben? (zieht die Schlüsselkarte aus der Tasche) Das hier ist die Schlüsselkarte, mit der die Commonisten eingebrochen sind.
Sascha versucht nach der Schlüsselkarte zu greifen. Dani zieht die Schlüsselkarte weg.
Dani: Und das ist zufällig die Schlüsselkarte von Frau Dr. Winter. Wissen Sie, ich habe einfach nichts in der Hand gegen diese Frau Winter. Nix. Aber wenn jetzt zum Beispiel der Staat ein Interesse an ihr hätte, wegen krimineller Aktivitäten…
Sascha: Was verlangen Sie für die Schlüsselkarte?
Dani: Frau Dr. Winter bleibt straffrei, wenn sie kooperiert. Sie haben danach mit dem Fall Winter nichts mehr zu tun.
Sascha: Frau DiLorenzo, ich bin keine Anfängerin.
Dani: Dann ist das ein Deal?
Sascha: Deal.
Danis Musical-Nummer: Alles für die Kunst
1. Strophe:
Diese Cora ist schon lang unangenehm,
Intrigant, illegal – und das mit System,
Das ist unsere Gelegenheit zuzuschlagen,
bevor wir uns weiter mit ihr plagen.
kurze Bridge
Universal Disney Fox kennt seinen Markt,
wir wissen hier, was glücklich macht,
subversive Autoren will doch keiner lesen
Intellektualität bringt uns in die Miesen.
Bridge!
Refrain:
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, alles für die Kunst
Kritik und Widerspruch verblassen im Dunst.
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, für euch Publikum,
wir sind das neue Geschmacksministerium.
2. Strophe:
Andre Meinungen lassen wir doch zu,
Zensur ist für uns doch auch ein Tabu,
solange Kritiker in unserem Sinn agieren,
die Geschichte muss einfach funktionieren.
Und was funktioniert, das ist doch klar:
Für die Großen: Liebe. Cumshots, ach wie wunderbar!
Niedliche Cartoons für die ganz Kleinen,
Nachfrage reguliert den Markt, im Allgemeinen.
Refrain:
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, alles für die Kunst
Kritik und Widerspruch verblassen im Dunst.
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, für euch Publikum,
wir sind das neue Geschmacksministerium.
(Tanznummer)
Refrain (3. Mal):
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, alles für die Kunst
Kritik und Widerspruch verblassen im Dunst.
Alles für die Kunst,
Alles für das Publikum, für euch Publikum,
Wir sind das neue Geschmacksministerium.
KEINE BRIDGE!
Finale:
Seid ehrlich, wir sind hier nicht die Bösen
Wir wollen euch von der Auswahl der Vielen erlösen
Ein bisschen Splatter, ein Happy End,
Entspannte Unterhaltung zum Feierabend.
Während des Liedes sitzt Sascha Bacon-Schmidt weiterhin am Tisch. Dani wird von den Cops tänzerisch unterstützt.
Die Zustimmung
2042. Berlin. Cora sitzt in ihrer Wohnung und isst Nudeln. Dann klingelt es an der Tür. Cora öffnet.
Cora: (äußerst genervt) Frau DiLorenzo…
Cora will Dani körperlich zurückhalten, fasst Danis Schultern an.
Dani: Frau Dr. Winter. Sie empfangen mich mit offenen Armen. Das ist schön. (tritt ein)
Cora: Was wollen Sie?
Dani hat sich an den Tisch gesetzt und kostet mehr oder weniger genussvoll die Nudeln.
Dani: Zunächst ein bisschen mehr Salz.
Cora: Wie oft muss ich es ihnen noch sagen: Ich will und ich werde nicht mit Ihnen zusammenarbeiten. Verlassen Sie sofort meine Wohnung! (steht noch an der offenen Tür)
Dani: Ach, was sind Sie denn so stur? In einem anderen Kontext fände ich das ja ganz niedlich. Aber gerade gefällt mir das nicht. Setzen Sie sich doch!
Cora: Bitte gehen Sie einfach!
Dani: Frau Dr. Winter, wissen Sie, ich bin heute hier, weil ich eine Information habe, die für eine Zusammenarbeit doch ganz interessant sein könnte.
Dani ruft Sascha, die mit den Cops erscheint.
Sascha: Bacon-Schmidt mein Name. Urheberrechtsabteilung. Meine Kollegen. Nun Frau Winter, wir nehmen Sie hiermit in Haft.
Cora: Was?!
Sascha: Tun Sie nicht so unwissend. Sie kollaborieren mit terroristischen Subjekten, die sich gegen bestehendes Recht wenden. Diesen Tatbestand bezeichnen wir als Kulturterrorismus. Frau Winter, Sie haben sich schuldig gemacht. Mein Kollege hat bereits ausgerechnet, was Sie erwartet.
Cop 2: 63 Jahre und 4 Monate.
Cora: Sie können mir gar nichts beweisen!
Sascha: Natürlich gibt es Evidenzen. zeigt Ihr die Schlüsselkarte.
Cora: Ich… Ich kann das erklären. Sehen sie…
Sascha: Frau Winter. Ich wiederhole mich nur ungerne: Kollaboration mit dem Staatsfeind ist ein gewichtiger Straftatbestand und kein Kavaliersdelikt. Aber: Wir sind ja schließlich keine Unmenschen. Es gibt da eine Möglichkeit. (dramatische Pause) Sie wissen, wo sich diese staatsfeindlichen Subjekte befinden und Sie werden mir diese Information zuteil werden lassen. Im Gegenzug für Ihre Zusammenarbeit werden wir von einer strafrechtlichen Verfolgung Ihrer Person absehen. Damit wäre dieses unschöne Kapitel der Geschichte ein für alle mal beendet. Und es kehrt endlich wieder Ruhe ein.
Cora: Das kann ich nicht tun!
Sascha: Dann wollen Sie 63 Jahre und 4 Monate nichts schreiben.
Dani: Außer auf Toilettenpapier?
Cora: Nicht schreiben!? Was!? Nein. Das geht nicht!
Sascha: Also?
Cora: Aber! Die Bewegung!
Sascha (mehr zu sich): Findet endlich ein Ende.
Dani: Cora, Sie könnten weiterschreiben. In Freiheit.
Cora: Aber, wenn ich die Bewegung verrate, dann liest mich doch keiner mehr.
Dani: Ach, nein, meine Liebe! Sie müssen das auch mal als Chance begreifen. Universal Disney Fox wird Ihnen ein sicheres Zuhause bieten. Wir werden Sie in unsere wärmenden Arme einschließen. Die Menschen werden Ihnen zu Füßen liegen. Menschen, für die diese moralischen Kleinigkeiten in Ihrer Biografie keine Rolle spielen, die einfach nur entspannt ein gutes eBook lesen wollen. Alle werden zufrieden und glücklich sein!
Cora schweigt. Sascha schnippt mit dem Finger, woraufhin der Cop sie auf die Tischplatte drückt.
Sascha: Also, Frau Winter, können wir mit Ihrer Kooperation rechnen?
Dani: Weiter schreiben oder in den Knast. Das ist aber wirklich eine ganz schwere Entscheidung. Was sagen Sie? (Dani und Sascha beugen sich leicht über sie)
Cora (ganz leise): Ja. Ich helfe Ihnen.
Dani: Wie bitte? Ich kann Sie nicht verstehen?
Cora (etwas lauter): Ja. Ich sage Ihnen, wo sie stecken.
Dani (extrem laut): Ich glaube, die Menschen auf den billigen Plätzen konnten Sie noch immer nicht verstehen.
Cora (schreit): Ja! Ich kooperiere!
Dani und Sascha lehnen sich wieder zurück. Cora wird vom Tisch genommen.
Cora: Aber lassen sie mich bitte kurz vorher mit ihnen reden.
Sascha: Meinetwegen.
Die Cops führen Cora ab.
Sascha: Wie schön, wenn unser Rechtsstaat funktioniert.
Dani: Und wenn Dinge so einfach und unkompliziert verlaufen.
Dani will Sascha highfiven, die reagiert nicht, sondern dreht sich um und geht. Dani schlägt Sascha beim Rausgehen auf den Hintern.
BLACK.
Die Leere
Berlin, 2042. Coras Wohnung.
Die Commonisten und Maxi nähern sich Coras Wohnungstür, die einen Spalt weit offen steht. Jo und Mo klopfen an, obwohl die Tür nicht verschlossen ist.
Mo: Mmmh? Cora?
Jo: Keiner da?
Maxi: Aber wir können doch nicht einfach…
Jo und Mo treten bestimmt ein, Maxi zögerlich hinterher.
Mo: Komm einfach rein.
Jo: Das ist kein Problem. Cora ist eine gute Freundin von uns.
Maxi: Ich weiß nicht. Ich finde das ….
Mo: Coraaa! (schaut in die “Küche” und ins “Bad”) Hier ist sie nicht. Warte, ich versuch mal sie zu erreichen.
Jo (geht zur Tür): Aufgebrochen wurde die Tür aber nicht. Vielleicht nicht richtig ins Schloss gefallen.
Mo: Mhm. Tot. Also die Leitung. Sie geht nicht ran.
Maxi: Mir gefällt das alles nicht.
Mo: Das ist eigentlich nicht so ihr Stil – aber vielleicht kommt sie ja gleich wieder.
Jo: Sie ist bestimmt nur kurz was holen. Was zu rauchen.
Maxi (ungläubig): Bestimmt. Vom Zigaretten holen, kommen die meisten Menschen ja schnell wieder zurück.
Mo: Du willst doch ins Theater. Sie kann uns helfen, da nochmal reinzukommen.
Jo: Du musst dir keine Sorgen machen. Cora ist cool. (etwas pathetisch:) Keine unterstützt uns so wie Dr. Cora Winter, die Muse der freien Kultur!
Maxi: Cora Winter?! Die Schriftstellerin?!
Mo und Jo nicken.
Maxi: Wir sind bei Cora Winter?! Die Autorin von “Das Mädchen mit dem grünen Schal”? Von “Drachentöter – The Chronicles 1-4”?
Jo: Diese Stücke sagen mir jetzt nichts, die müssen wohl von später sein.
Maxi: Und, und, und “Im Auge des Orkans”! Ach, du meine Güte! Das ich mal in der Wohnung der jungen Cora Winter, der Bestseller-Autorin, stehen werde. Das glaubt mir nie jemand!
Jo: Wow. Das freut mich, dass sie auch in deiner Zeit noch so die Herzen in Brand setzen kann.
Maxi: Ja. Ihre Stücke und Romane sind Bestseller. Jedes Theater, das etwas auf sich hält, setzt Cora Winter auf den Spielplan. Sie ist die unumstrittene Meisterin des Gefühls.
Mo: So würde ich das jetzt nicht zwangsläufig sagen. Da kann man sicherlich auch Gefühle rein lesen, ja.
Jo: Kennst du “Die Festung”? Das ist ein Stück!
Maxi: Nee. Wir haben echt viel von ihr gespielt. Aber davon hab ich noch nie was gehört.
Jo (geht zum Regal): Warte mal, das konnten wir sogar mittels einer Crowdfunding-Kampagne drucken lassen. Ein Erfolg für die Bewegung! Und ein Schlag ins Gesicht der Urheberrechtsmafia! Hier. Lies das mal. (gibt Maxi das Buch)Das ist die Stimme der Revolution!
Maxi (liest): “Die Festung”.
Mo: Das ist so eine Art Manifest der Wissensallmende.
Maxi (liest): PROLOG. An der Küste. (Mo und Jo starren genüsslich vor sich hin)
Jo: Küste, das ist natürlich eine Metapher.
Maxi: SCHLEIFER schleift.
Jo: Schleifer. Das sind wir alle.
Maxi: SCHLEIFER: Ich stand an der Küste und redete-/ Vor mir die Mauern-/ Keine Glocken läuten-/DU KOMMST ZU SPÄT/
Jo (untebricht Maxi): Du kommst zu spät – Damit ist schon fast alles gesagt. Das ist die Grundaussage des Stücks quasi.
Maxi (liest): WER SIND DIE (Jo stimmt mit ein) LEICHEN IM LEICHENWAGEN/ UM WEN HÖRT MAN KEIN SCHREIEN UND KLAGEN.
Jo: WER STOPPT DIESEN LEICHENZUG? Hach, DAS ist Literatur.
Maxi: Das ist. Ich weiß nicht. So anders. Irgendwie gut. Aber so vollkommen anders als die Cora WInter, die ich kenne. Ich weiß nicht, wie ich euch das erklären kann. Moment. … Ah, ja. "Der Mann mit dem silbernen Hut". Das war auch so ein Bestseller, den wir gespielt haben . Ich zeig euch das jetzt. Aber das ist schon ziemlich lange her. Das gibt es diese Schlüsselszene zwischen einem Mann und einer Frau. Ich glaub, ich hab das auch …. (klickt in ihrem Arm-Device herum) Ah ja. Ich bin jetzt beide. Immer abwechselnd. Ihr müsst euch da ein bisschen mit reinversetzen. Aber Russell? Wie konntest du nur? / Ninifee, es tut mir leid. Du weißt, dass ich das nicht wollte! / Russell, ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll! Ich habe mich dir anvertraut, meine tiefsten und dunkelsten Geheimnisse mit dir geteilt und du? Du bist ein kaltherziger Verräter! / Ninifee, bitte, so ist das nicht gewesen. / Hör auf, Russell, ich glaube dir kein Wort! Geh zurück, zu deiner Tante und lass mich hier zurück, mit diesem Scherbenhaufen aus zerbrochenen Träumen.
Mo: (stellt sich hinter sie und liest in ihrem Device) Ninifee. /Geh! Geh zu Lydia. Die wohlige Wonne dieser kleinen Tablette wird mich schon in die ereignislose Welt des Schlafes entführen!
Mo: Du willst mich doch wohl verarschen. So etwas spielst du? Ich dachte, du wärst Schauspielerin!
Maxi: Ey! Was soll ich denn machen?
Jo: Marktkonformes Geschreibsel! Das klingt wie direkt aus dem Dramengenerator von Universal Disney Fox gefallen!
Maxi: Ja, klar ist das von Universal Disney Fox.
Jo: Was! Cora ist doch nicht bei Universal Disney Fox!
Maxi: Ja. Doch. Wie alle anderen auch. Universal Disney Fox kümmert sich eben um die Kunst.
Mo: Das ist doch keine Kunst! Dieses weichgespülte, nichtssagende Gesülze! (durchsucht den Papierkram im Hintergrund)
Maxi: Ja. Aber. Du musst eben nehmen, was UDF dir anbietet. Da gibt es keine Wahl!
Jo: Moment, Moment, Moment, du übersiehst hier den wichtigeren Punkt: Cora ist bei Universal Disney Fox!
Maxi: Ja! Die bezahlen die Gehälter!
Jo: Das ist der Feind, das Krebsgeschwür am Arsch der Kunst! Gefällt dir das etwa, was dieser Kulturmonopolist da an Einheitsbrei verbricht?
Maxi: Gmmmpf. Öh. Njein. Eine wirkliche Herausforderung, so als Schauspielerin, sind die Sachen jetzt nicht unbedingt, aber….
Mo hat ein Papier mit dem Logo von UDF gefunden, unterbricht Maxi.
Mo: Äääääh, was? Wartet mal! Vorvertrag. Das ist ein Papier von Universal Disney Fox… Übertragung aller Rechte… Recht am Werk, an Comics, Computerspiele, Filme… Uuuuh, ein paar sehr hohe Vertragsgagen.
Jo: Waaas? Diese Aasgeier. Dieser Abschaum.
Mo (blättert durch): Warte mal, das ist gar nicht unterschrieben.
Jo: Besser ist es!
Maxi: Wieso besser? Kann mir mal einer erklären, wie man bei euch zu Geld kommt?!
Mo: Crowdfunding, Spendenkampagnen, Abos, Bitcoingeflatter, Lesungen, Spezialeditionen
Jo: Was meinst, was wir die ganze Zeit machen!?
Maxi: Ahh. Also, das, was ihr vorhin gemacht habt! Open Data Bay! Also nur so zum Verständnis: Ihr arbeitet mit Autorinnen und Autoren zusammen und stellt dann ihre Texte, Stücke usw. da rein!? Ohne die Zustimmung von Universal Disney Fox!?
Jo: Genau! Für die Bewegung! Zum Runterladen! Für alle!
Mo: … (unisono) Für Alle!
Maxi: Für alle. Wie krass, wenn ich mir das so vorstelle, einfach so Texte nehmen zu können und auf die Bühne zu bringen, ohne Einschränkungen, ohne pingelige Verträge, ohne Polizeiinterventionen auf Theaterpremieren! Das ist so. Ihr seid doch völlig wahnsinnig!
Jo: Das ist unsere Aufgabe!
Maxi: Einfach alles spielen können, hach. Texte wie die Festung. Glaubt mir! In Zukunft wird alles so sein, wie die Geschichte von Russell und Ninifee. Eben nur noch marktkonformes Einheitsbrei-Geschreibsel. Opium für die Massen! So etwas wie die Festung würde UDF niemals produzieren. Aber gerade solche Texte müssen doch gespielt werden! So etwas Brisantes müssen die Menschen doch zu sehen bekommen. Wenn Cora nicht bei UDF … , dann… … Aber! (Blick auf den Vertrag) Der Vertrag ist noch nicht unterzeichnet! Ihr dürft das nicht zulassen! Ihr seid die Einzigen, die Cora abhalten können. Ihr seid die Einzigen, die dafür sorgen können, dass es auch in Zukunft noch Kunst ohne UDF geben wird! Ihr, die Bewegung, Open Data Bay könnt UDF in die Schranken weisen! Lasst nicht zu, dass Cora diesen Vertrag unterzeichnet. Ihr müsst sie aufhalten!
Jo: Jetzt sprechen wir eine Sprache! Das ist unsere Chance, die Geschichte umzuschreiben!
Mo (nimmt einen Stift und schreibt auf den Vertrag): Cora, wenn du das unterschreibst, sind wir geschiedene Leute. Jo und Mo.
Maxi: Und Maxi!
Mo: P.S.: Bitte melde dich doch bei uns, wir machen uns Sorgen. Wenn wir Glück haben, meldet sie sich.
Jo: Lasst es uns heute Abend vor ihrem Dienst im Theater versuchen. Dann können wir gucken, ob wir sie abfangen können.
Mo: Und bis dahin?
Jo: Erstmal zurück ins Hauptquartier?
Maxi: Aber ihr habt schon auf dem Schirm, dass ich wieder zurück ins Requisitenmagazin muss.
Jo: Ja, aber ohne Cora kommen wir da nicht rein. Dann kannst du dich in der Zeit für die Bewegung nützlich machen.
Mo: Keine Panik! Ich kann Dir gerne noch ein paar andere Stücke zeigen, die Du bestimmt noch nicht kennst. Lass uns gehen.
Alle ab.
Das Finale
Berlin, 2042. Commonisten-Hauptquartier.
Cora sitzt auf der Couch und ist völlig aufgelöst. Mo, Jo und Maxi kommen dazu.
Jo: Cora?! Was machst du denn hier?
Mo: Gott sei Dank! Hier bist Du. Was ist denn los?
Cora: Ich… ich… ach, scheiße… ich weiß doch auch nicht.
Maxi setzt sich neben Cora. Sie hat noch immer die Printversion von "Die Festung" in der Hand.
Mo: Wir waren bei dir zu Hause, aber du warst nicht da.
Jo: Wir haben diesen Vorvertrag in deiner Wohnung gefunden! Du sprichst noch immer, schon wieder mit diesen Leuten von Universal Disney Fox!
Cora: Ich hatte keine Chance. Das ging alles so schnell.
Jo: Ich bin so stolz auf dich, dass du standhaft geblieben bist!
Mo: Moment. Was meinst du mit “keine Chance”?
Cora: Ich hatte doch keine Wahl! Es tut mir so leid.
Jo: Was redest du denn da?
Cora: Was sollte ich den tun?! Die hatten die Cops dabei. Kollaboration mit dem Staatsfeind, mit Kulturterroristen, mit euch! 63 Jahre Knast! Die haben mir dann ein Ultimatum gestellt: Knast oder weiterschreiben! Und dazu sollte ich Ihnen sagen, wo, wo ihr… (sehr leise)seid (wieder laut) und bleibe straffrei und kann wenigstens bei UDF weiterschreiben.
Mo: Arschlöcher. Immerhin bist du da rausgekommen. Ach, Cora!
Cora: Ich bin auf den Deal eingegangen.
Jo & Mo: Waaaaassssss????!!!!!1111!!!!!
Cora: Was sollte ich tun?!
Mo: Du hast uns verraten?!
Jo: Das glaub ich jetzt nicht. Ich dachte immer, wir sind Freundinnen, Genossinnen im Kampf für die Freiheit des Werks und des Individuums!
Cora (leise): Das sind wir doch auch.
Jo: Nein! Das sind wir nicht. Mehr. Gleich bei der erstbesten Gelegenheit einbrechen. Und für ein bisschen bürgerlichen Luxus verrätst du alles!
Cora: Entschuldige, dass ich auch mal was essen möchte.
Jo: Materialistisches Konsumgedankengut! Mo, wir haben die ganze Zeit eine Schlange an unserer Brust genährt!
Cora: Gefängnis! Nicht mehr schreiben können?! So kann ich wenigsten von Inneren heraus was tun! Die Schlange aus dem Inneren bekämpfen!
Maxi: Nein! (schmeißt "Die Festung“ auf den Boden) Jetzt ist es zu spät! Verdammt! Gegen Universal Disney Fox kann sich niemand behaupten!
Cora: Jo, ich kann nur schreiben. Ich will nur schreiben. Aber ich will auch leben könnnen!
Cora versucht ihn zu beruhigen, er stößt sie zurück auf die Couch.
Jo: Es gibt aber kein richtiges Leben im Falschen! Es darf überhaupt kein Leben geben auf den Knien, unter den Stiefeln von diesen Urheberknechten, diesen Contentmafiabossen! Darum geht es uns doch überhaupt nur! Nicht allein um ein paar befreite Texte, sondern darum, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein vom Urheberrecht erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist!
Mo (geht auf Jo zu, versucht ihn zu beruhigen): Jo, beruhig dich, wir können das doch…
Jo: Komm mir nicht mit deinem Flausch-Opportunismus! Du, Cora, hattest die Chance an etwas ganz Großem mitzuwirken, was vielleicht irgendwann mal wieder tausend Blumen Freier Kultur hätte blühen lassen können! Du, Cora… hast dein Leben verwirkt, du hast es weggeworfen, wie du deine Ideale weggeworfen hast.
Jo stürzt sich auf sie und würgt sie. Maxi und Mo versuchen Jo von ihr runter zu bekommen, aber vergebens: Cora stirbt.
Jo: Die Geschichte wird mich freisprechen!
Maxi ist geschockt, Mo packt sie an der Hand und rennt mit ihr über den Hinterausgang nach draußen. Jo ist geschockt von seiner Tat, starrt auf Coras sterbenden Körper.
Kurze Zeit später Sascha betritt das Hauptquartier und überprüft Coras Vitalzeichen.
Sascha: Die ist hinüber.
Dani und Cops kommen hinzu.
Dani: Waaaaas?!
Dani (zu Jo): Duuuuuu! Wegen dir, du Drecksschwein, ist mein Profit dahin!
Dani holt ihr Pistole aus der Tasche und erschießt Jo.
Sascha: Frau DiLorenzo! Das war nicht Teil der Abmachung.
Dani: Das (zeigt auf die tote Cora) war auch nicht Teil des Deals!
Sascha (drückt auf einen Knopf an ihrer Brille): Delete log file.
BLACK
Die Verabschiedung
Berlin, 2042. Requisitenlager.
Maxi und Jo schleichen sich in das Requisitenlager.
Maxi: Da! Da ist die Tür!
Maxi: Ach. Scheiße. Ist aus.
Maxi fuchtelt wieder mit den Armen, bemerkt nicht, das Mo den Stecker gesteckt hat. Tür geht an.
Mo: Hast du das Datum?
Maxi: 3 Juli.2112, 23:24. Ja.
Mo: Mach mal lieber 23:42 – Damit Du Dir nicht selber begegnest.
Maxi: OK.
Mo: Das war’s jetzt also? (Maxi nickt.)Dann trennen sich hier wohl unsere Zeitlinien.
Maxi und Mo umarmen sich lange. Die Umarmung wird langsam gelöst.
Mo: Das soll’s jetzt gewesen sein? Die letzten Jahre hab ich versucht, den Leuten zu erklären, dass es etwas Wichtigeres gibt als gesetzlich eingeschränkte Verwertungsrechte. Dass es etwas Besseres geben muss, als die GEMA. Dass DRM nicht funktioniert. Dass wir ein Recht auf Remix brauchen. Und jetzt ist alles vorbei! Cora ist tot. Jo ist wahrscheinlich im Knast. Und die Cops sind unter Garantie hinter mir her. Hinter dir vermutlich auch.
Maxi: Komm doch mit. Du hast hier eh nichts mehr zu verlieren.
Mo: Stimmt, Aber wenn wir hier eine echte Zeitmaschine haben…
Maxi: Ja, haben wir.
Mo: Wir könnten echte Dinosaurier sehen.
Maxi: Und gefressen werden?
Mo: Wir könnten die Pyramiden besuchen.
Maxi: Steine schleppen?
Mo: Mittelalter?
Maxi: Pest & Cholera!
Mo: Überleg doch mal! Wir können die Geschichte ändern. Wir könnten nach 1932 reisen, den zweiten Weltkrieg verhindern.
Maxi: Und den dritten auslösen!
Mo: Wir könnten nach gestern reisen, die ganze Scheiße hier ungeschehen machen.
Maxi: Und uns selbst begegnen und dann bricht dieses Raum-Zeit-Dings komplett zusammen! Und das gesamte Universum implodiert!
Mo: Aber du weißt auch, dass deine Zeit 2112 auch nicht mehr die gleiche ist.
Maxi: Ich möchte einfach hier weg. Ich will nach Hause.
Mo: Eigentlich wollt ich schon immer in die Zukunft.
Maxi: Komm schon!
Mo: Nimmst Du mich als Companion mit?
Maxi: Ja. Natürlich. Jetzt komm endlich!
Maxi zieht Mo in die Tür.
Mo (in der Zeitmaschine): Und wie funktioniert dieses Teil jetzt?
Maxi (in der Zeitmaschine): Ich hab einfach hier drauf gedrückt…
Die Zeitmaschine macht noch ein paar Geräusche und Lichteffekte. Auf dem MateLight drehen die Jahreszahlen komplett durch, bleiben auf 2014 stehen.
ENDE